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Besonderheiten von Zustelladressen - Skurrile Adressen und ihre Tücken für Anwendungssysteme

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Was haben diese beiden Ortsschilder mit Ihren Anwendungssystemen zu tun, in denen Sie Kunden- bzw. Interessentenadressen verarbeiten?

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Sollen Pakete, Päckchen, Verträge etc. verlässlich am Wunschort ankommen, muss die Anschrift stimmen. Doch Adressen bergen so ihre Tücken. Als Customer Data Experten begegnen uns in unserem Alltag immer mal wieder skurrile Fälle. Diese Kuriositäten sorgen für den einen oder anderen Schmunzler, eigenen sich aber auch hervorragend, um die eigenen Anwendungssysteme, den Registrierungsprozess oder Systeme wie CRM, ERP, MDM zu testen. 

Versuchen Sie mal den mit 58 Buchstaben längsten Ortsnamen Europas fehlerfrei zu tippen, geschweige denn auszusprechen! „Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch“. Selbst mit höchster Konzentration wird es kaum gelingen, weswegen bei der Eingabe ein Adressvalidierungstool mit guter Fehlertoleranz nicht zu unterschätzen ist. Die Royal Mail stellt übrigens dafür auch eine Abkürzung zur Verfügung: Llanfairpwllgwyngyll. Viel einfacher ist die fehlerfreie Eingabe aber hier auch nicht ;). Der längste deutsche Ortsname „Hellschen-Heringsand-Unterschaar“ kommt einem da schon fast einfach vor. Die Feldlänge für den Ort strapaziert er dennoch bei manchen Systemen. Partnergemeinde des Walisischen Wortmonsters ist übrigens das französische Dorf Y. Bei diesem Ortsnamen haben wir schon öfters erlebt, dass Systeme scheitern – die Formalprüfung setzt als Eingabelänge mindestens zwei Zeichen voraus. Dabei ist das kein Einzelfall in Europa: In Norwegen gibt es z.B. den Ortsnamen Å und das gleich mehrfach.  

Auch Straßennamen können ganz schön für Verwirrung sorgen. In Deutschland gibt es rund 451.000 eindeutige Straßennamen. 97,5 Prozent der Straßennamen kommen seltener als zehn Mal in Deutschland vor. Was mit den restlichen zweieinhalb Prozent erstmal wenig klingt, sieht in der Realität zwischen Flensburg und Garmisch ganz anders aus: Mit 6.234 Einträgen ist Hauptstraße der am häufigsten vorkommende Straßenname, gefolgt von der Schulstraße (4.947 Einträge). Gerade bei den sehr häufig vorkommenden Straßennamen ist es bei einem Typo in Ort oder Postleitzahl wichtig, dass das Adressvalidierungstool über intelligente Fehlertoleranz verfügt und den korrekten Ort möglichst automatisch zuordnet. Ist das nicht eindeutig möglich, sollten dem Anwender nur die bei einem Typo zutreffenden Orte in einer Auswahlliste angezeigt werden. Niemand will bei der Schulstraße eine Liste mit fast 5 Tsd. Einträgen durchsehen.

Üblicherweise achten die Gemeindeverwaltungen darauf, dass ein Straßenname in einem Ort nur einmal vorhanden und damit eindeutig ist. Selbst wenn durch Eingemeindungen ein Straßenname doppelt vorhanden wäre, wird einer der beiden Straßen mittelfristig umbenannt. Leider wird aber nicht in jeder Gemeinde wirklich konsequent auf Eindeutigkeit geachtet. Allein in Berlin gibt es zum Beispiel die Charlottenstraße neun mal.

Quelle: HERE WeGo

Hier die richtige Straße zu erwischen, kann da schon zum Glücksspiel werden. Die korrekte Postleitzahl kann oft vor Chaos retten. Aber das hilft nicht immer. Dann muss der Ortsteil für Eindeutigkeit sorgen. Vielen Lieferdiensten ist der Ortsteil meist sowieso wichtiger als die Postleitzahl. Schade nur, wenn das Anwendungssystem keine Möglichkeit bietet, diesen einzugeben bzw. zu speichern.

Achtung: Wenn Sie den Ortsteil mit auf das Adressetikett ausgeben, lauert hier die nächste Falle. International üblich ist, dass der Ortsteil zwischen Straßenzeile und Ortszeile steht. In Deutschland sollte der Ortsteil abweichend aber über der Straßenzeile ausgegeben werden. Das liegt historisch begründet an den alten Leseeinheiten der Briefsortiermaschinen der Deutschen Post. Diese konnten nur dann korrekt lesen und sortieren, wenn Straßenzeile und PLZ-/Ortszeile unmittelbar untereinander standen. Obwohl die Technik der Leseeinheiten in den letzten 20 Jahren sicher große Fortschritte gemacht hat, und es praktisch alle anderen Länder abweichend handhaben, hat sich diese anachronistische Regel in der aktuellen DIN 5008 bezüglich Anschrift-Format (leider) immer noch gehalten.      

Für viele Anwendungen ist die Postleitzahl ein wichtiger Ankerpunkt. In Deutschland klar strukturiert fünfstellig numerisch. Aber auch die Postleitzahl kann für Verwirrung sorgen, beispielsweise wenn Gemeinden gleichzeitig deutsche UND österreichische Postleitzahlen haben, wie die Gemeinden im Kleinwalsertal bzw. Jungholz in Tirol. Oder Büsingen, das eine deutsche und schweizer Postleitzahl hat ‒ hier tauchen plötzlich vier- und fünfstellige Postleitzahlen für den gleichen Ort auf.

In Deutschland liegen zwischen den Quadraten in Mannheim (z. B. „A1“) und dem längsten Straßennamen („Bischöflich-Geistlicher-Rat-Josef-Zinnbauer-Str.“ im bayerischen Dingolfing) 46 Buchstaben. Beide Straßen haben spezielle Herausforderungen.
 

  • Die Quadrate in Mannheim werden teilweise bereits von den Formalprüfungen abgelehnt, weil als Mindesteingabe zwei Buchstaben erwartet werden. Aber auch für den Data Steward sind die Quadrate in Mannheim nicht immer einfach. Wenn er „Straße P 3 14“ liest: Welcher Teil gehört denn nun ins Straßenfeld und welcher in das Hausnummernfeld? Da machen die Systeme dann die Anwender glücklich, die ein qualifiziertes Adressvalidierungstool einsetzen, das dies als ein Feld entgegennimmt, prüft und bei Bedarf dann Straßenname und Hausnummer korrekt aufteilt.   
  • Die „Bischöflich-Geistlicher-Rat-Josef-Zinnbauer-Str.“ stresst in vielen Systemen die maximale Feldlänge. Auch hier unterstützt ein qualifiziertes Adressvalidierungstool, indem dieses automatisch eine „handhabbare“ Abkürzung einsetzt.


Aber auch augenscheinlich grammatikalisch falsche Adressen wie die Straße „kleines Berg“ in Eberswalde werden ohne Adressvalidierungstool in den meisten Fällen hinsichtlich Grammatik richtig, aber damit bezüglich der Adressierung falsch, eingegeben.  

Ein schöner Testfall ist auch „Westward Ho!“ in England, bei dem das Ausrufezeichen offizieller Bestandteil des Namens ist. Oft werden in Orts- und Straßenfeldern nicht alle vorkommenden Sonderzeichen erlaubt. Oder auch Text im Hausnummernfeld ist nicht zulässig, wie es die nicht selten vorkommenden Hausnummern wie „65 & A Half“ in England nötig machen.

Wenn Sie bisher der Meinung waren, die kleinste gültige Hausnummer sei die Nummer 1, dann müssen wir Ihr Weltbild hier leider korrigieren. In England finden Sie recht häufig die Hausnummer 0. Aber Sie müssen nicht über den Ärmelkanal, um auf Adressen mit Hausnummer 0 zu treffen. Sie finden diese (vereinzelt) auch in Deutschland. Der folgende Fall ist eine korrekte, von der Gemeinde bestätigte Adresse inklusive Hausnummer: „Wilhelm-Wisser-Str. 0, 23715 Bosau“

In Baarle, einem Grenzort zwischen Belgien und den Niederlanden, wird es noch wilder. Hier findet sich aufgrund des einzigartigen und völlig komplizierten Grenzverlaufs auf jedem Hausnummernschild auch noch die Nationalitätsbezeichnung. Denn hier kann es durchaus vorkommen, dass die Grenze durch einzelne Häuser verläuft: die rechte Seite steht in Belgien, die linke gehört schon zu Holland.

„Dieses Haus steh zum Teil in Belgien und zum Teil in den Niederlanden. Der Grenzverlauf ist durch die weißen Pflastersteine gekennzeichnet.“
Quelle: DeWiki > BaarleLennart Bolks

Mit diesen – zugegebenermaßen zum Teil sehr speziellen – Sonderfällen muss ein effektives Adressmanagement umgehen können. Nur dann kann es Data Stewards bei ihrer täglichen Arbeit bestmöglich unterstützen bzw. Endkunden eine optimale Customer Experience bieten. So unterhaltsam diese Spezialfälle auch für uns sind, der manuelle Mehraufwand, den sie verursachen, wenn diese nicht reibungslos funktionieren, kostet Zeit, Geld, Nerven und ggf. Kunden. Nutzen Sie doch einmal eines unsere Beispiele für Ihre Adressfeldtests und schauen Sie, wie Ihr System damit zurechtkommt. Sprengen Sie eventuelle Begrenzungen? Korrigiert es Fehler weitgehend automatisch? Unsere erfahrenen Consultants unterstützen Sie gerne bei der Optimierung Ihres Systems.
 

Beratung anfragen

 

In diesem Beitrag haben wir an einigen Beispielen gezeigt, welche erheblichen Unterschiede es in der Struktur der „klassischen*“ Adressierung gibt. Im nächsten Beitrag zeigen wir Ihnen, wie Sie für bestimmte Anwendungen mit what3words (w3w) oder Open Location Codes (OLC) eine andere Art der Adressierung realisieren können, die nicht die strukturelle Vielfalt der „klassischen*“ Adressierung aufweist. Ja, Sie können damit sogar Punkte adressieren, für die gar keine „klassische*“ Adressierung vorhanden ist. Wir werden die Vor- und Nachteile der beiden Systeme behandeln und mit der „klassischen*“ Adressierung vergleichen.


*klassische Adressierung --> Adressierung mit:
Ortsteil (optional), Straße, Hausnummer, Postleitzahl, Ort, Land (nur international)

Beispiel:

             Wilferdinger Höhe
             Rastatter Str. 13
             75179 Pforzheim
             GERMANY

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